In Gedenken an Eric Arthur Blair

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Heute genau vor 70 Jahren starb Eric Arthur Blair. Einem Menschen von dem ich auf gleich mehreren Ebenen sehr viel halte, obwohl ich ihn nie persönlich kennen gelernt habe. Trotzdem rangiert er ganz hoch bei mir in der Liste der Persönlichkeiten mit denen ich gerne Abends einmal ein Bier trinken gegangen wäre und ihn einfach nur ein wenig zu seinen Meinungen ausgefragt hätte.

Geboren ist Eric im damaligen Britisch-Indien, da sein Vater dort als Kolonialbeamter tätig war und den legalen Opium-Handel mit China kontrollierte. Obwohl er dann den größten Teil seiner Kindheit in Großbritanien verbrachte, kehrte er mit rund 18 Jahren zurück nach Indien um in die Fussstapfen seines Vaters zu treten und als englischer Polizist in den Kolonien zu arbeiten. Dort war er vorwiegend in Burma stationiert.

Bereits damals schien es sehr in ihn zu brodeln und er schien seinen Dienst nicht besonders zu mögen. 1927 kehrte er zu einem Heimaturlaub nach England zurück und quittierte dort seinen Dienst ohne nähere Angabe von Gründen. Man kann allerdings davon ausgehen, dass er sich nicht mehr mit seiner authoritären Arbeit identifizieren konnte und er seiner eigentlichen Leidenschaft nachgehen wollte... als Schriftsteller tätig zu sein.

Als dieser war er allerdings zunächst nicht besonders erfolgreich. Und lebte unter anderem als Vagabund un Paris uund England. Dabei erkrankte er mehrfach schwer und verdingte sich nebenher immer wieder als Lehrer um irgendwie seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, während er dann vorwiegend Essays verfasste.

Gerade hier zeigte er bereits sein besonderes Talent Dinge sehr genau beobachten zu können und auch komplexere Zusammenhänge zu erfassen und sehr einfach wieder zu geben. Dabei ging er immer wieder auch sehr hart mit sich selbst ins Gericht und eben auch seiner Arbeit in Burma.

Besonders dabei hängen geblieben ist unter anderem sein Werk „Der Weg nach Wigan Pier“ in der er für die Linken in England eine soziale Reportage über das Leben der Bergarbeiter berichtete. Es lässt sich nicht leugnen, dass Eric der sozialistischen Ideen nicht abgeneigt war und er sich zu dessen Idealen bekannte. Trotzdem wurde er nicht müde eben diese auch immer wieder scharf zu kritisieren.

So beschimpfte er beispielsweise die Britischen linken Intellektuellen, dass sie überhaupt gar nicht wüßten, was Armut sei und das einzige was sie von den Kapitalisten trennen würde der Ort zu sein an denen sie ihr Kreuz auf den Wahlzettel machen würde. Keiner von ihnen würde allerdings jemals auch nur in die Minen gehen und sich jene Leute ansehen, die sie sich als Proletariat an die Macht wünschen würden.

Als der spanische Bürgerkrieg startete, konnte Eric es nicht mehr halten und er meldete sich als freiwilliger Soldat um auf republikanischer Seite gegen die Faschisten zu kämüfen. Mit Hilfe seiner Kontakte zu Labour, ließ er sich empfehlen und landet plötzlich bei der POUM, einer anarchistischen Gruppierung in Spanien. Hier erlebte er in Barcelona nach anfänglichen Erfolgen die Errichtung eines anarchistischen Staates mit der Abschaffung sämtlicher Hierachien, dankbaren Bürgern und der Abschaffung von Luxus.

Begeistert trat er diesen Soldaten bei um mit ihnen für eine bessere Welt zu kämpfen. Doch bereits kurz danach lernte er den Stellungskrieg kennen und die völlige Sinnlosigkeit des Krieges. Mir bleibt dabei in Erinnerung, wie er beschreibt, wie die Faschisten und seine Leute abwechselnd im Kugelhagel Kartoffeln ernteten. Weil die Gewehre so schlecht waren, wurde eigentlich niemand getroffen, aber man musste schießen um den Kampfgeist zu zeigen.

Dabei lernte er jedoch schnell, dass nicht nur die Faschisten Gegner waren, sondern sich auch auf seiten der Linken viele Feinde gaben. So wurde die POUM von den Stalinisten mit allen Mitteln bekämpft. Diese Funktionäre fielen seinen Kameraden regelrecht in den Rücken und er erkannte, dass sich auch hinter diesen vermeidlich Linken eine böse Fratze versteckte.

Als Moskau Waffenlieferungen leistet und Politkommisare im Sinne der Sowjets bei den Anarchisten Säuberungen durchführte, gelang ihm nur knapp die Flucht nach Frankreich. Die Erfahrungen jedoch prägt sein weiteres Leben zutiefst. Diese Ereignisse fasste er später in „Mein Katalonien“ zusammen. Sein Verleger (ein bekennender Kommunist) schäumte vor Wut und weigerte sich das Buch zu lesen, geschweige den zu veröffentlichen.

Orwell schafft es somit im Herzen Anarchist zu bleiben und für sozialistische Ideen in der Welt einzusetzen, während er gleichzeitig aktiv versuchte den Bolschewismus zu bekämpfen. Gerade diesen Aspekt seiner Persönlichkeit finde ich zutiefst faszinierend, da er eben auf der einen Seite Idealist war und gleichzeitig schaffte die Welt objektiv zu beobachten und bereit war gegen Unrecht und Verrat zu kämpfen. Nicht sein politischer Glaube, sondern eben seine Überzeugung stellte er dabei in den Vordergrund.

Als die Deutschen daraufhin Polen überfielen, meldete sich Eric erneut als freiwilliger Soldat um auf Seite der Briten und Franzosen gegen sie zu kämpfen. Man lehnte sein Gesuch auf Grund seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung jedoch ab. Er arbeite als Kritiker und Journalist und sammelte dabei wichtige Erfahrungen im Bereich der Propaganda auf britscher, deutscher und sowjetischer Seite.

Seinen großen Durchbruch gelang ihn jedoch erst mit einem Buch mit dem er offen Stalin kritisierte und in Form einer Parabel den Verrat an den sozialistischen Ideale kritisierte. Sein Buch „Farm der Tiere“ ist ein Meisterwerk, dass sich auf der einen Seite unschuldig präsentiert, auf der anderen Seite einem allerdings die Kehle zuschnürrt. Die Schweine übernehmen auf den Bauernhof die Kontrolle um bauen einen neuen Staat auf in denen alle Tiere gleich wären. Dabei merkt vermutlich nur der alte arbeitssame Gaul nicht, dass dies eine Lüge ist und er nur ausgenutzt wird.

Die Veröffentlichung war dabei nicht einfach, da eben viele der linken Verleger sich verweigerten ein solches Buch rauszubringen und Orwell fast gezwungen war es selbst zu verlegen. Sein Kernaussage „Einige sind gleicher als andere“ gehört heute zum allgemeinen Sprachgebrauch.

Sollte jemand an dieser Stelle immer noch nicht erkannt haben, wer Eric Arthur Blair ist? Er ist vielen wesentlich bekannter geworden unter seinem Pseudonym: George Orwell. Denn die meisten Menschen kennen ihn vorwiegend von seinem letzten großen Werk „1984“, dass zum Inbegriff des Überwachunsstaates geworden ist.

Er stellt in diesem Buch eine düstere dystrophische Zukunft vor, die ihm Jahre 1984 spielt. Ein totalitäres Regime hat die absolute Macht im Staate und lässt Menschen beliebig verschwinden. Der Staat unterdrückt nicht nur seine Bürger, sondern greift tief in ihr denken ein. Televisoren stehen in jeder Wohnung, um sowohl mit den Bürger zu sprechen als diese auch zu überwachen. Sogar die Sprache wurde soweit entartet, dass es schwer fällt überhaupt Widerstand zu formieren, weil ganz Begriffe schlichtweg fehlen.

Über allem steht der große Führer, der von allen nur „Der große Bruder“ genannt wird und über alles und jeden wacht. Das Ministerium für Liebe übt sich in der Zensur und niemand kann dem anderen mehr vertrauen. Man trifft sich zum gemeinsamen Hass auf der Straße um gegen die Feinde zu wettern und kollektiv ihre Zerstörung zu wünschen.

Das beeindruckende dabei ist, dass Orwell eben in einer Zeit lebte in der es noch gar nicht den technischen Fortschritt wie Computer gab. Seine gute Beobachtungsgabe der Propaganda und der Menschen erlaubte es ihm jedoch einen Staat zu skizzieren, wie er erst künftig entstehen könnte. So manch einer mag zunächst spotten, dass dieser nie eingetreten sein mag, aber je mehr man sich die heutige Welt ansieht, umso mehr kommt man ins Grübeln.

1984 ging dabei in die Popkultur auf. So bewarb unter anderen Apple damals seine Produkte unter dem Vorwand, dass man das alte Einreißen müsste. Sämtliche Überwachungsgegner berufen sich heutzutage auf Orwell mit spotteten Aussagen wie: 1984 is not manual!

Heute vor 70 Jahren starb Orwell im Alter von 46 Jahren an Tuberkulose. Seine Werke sind für mich immer wieder ein Quell der Inspiration. Ich bin begeistert darüber was für eine gute Beobachtungsgabe er hatte und wie einfach er teilweise komplexe Sachverhalte wiedergeben konnte. Das er als Idealist für den Sozialismus eintreten konnte und gleichzeitig gerade mit seinen Freunden besonders hart ins Gericht zog, ehrt ihn sehr.

Die meisten Menschen sind einfach blinde Mitläufer und gerne bereit ihre Ideale zu verraten, wenn es dem dienlich ist an dem sie glauben. Orwell bekämpfte allerdings alles, was er als Unrecht ansah, ganz unabhängig davon von welcher Seite es verübt wurde. Sei es eben in dem er seine eigene Haut beim Kampf gegen die Faschisten aufs Spiel setzte oder eben in den endlosen Debatten mit seinen Verlegern und Kollegen.

Die Welt verlor damals einen besonderen Menschen wie es sie nur selten gibt. Trotz seines sehr kurzen Lebens schaffte er es mit „Farm der Tiere“ und „1984“ Werke zu erschaffen, die seinen Tod lange überdauerten und trotz ihren Alters vermutlich stets zeitlos sein werden. Zumindest solange es in dieser Welt irgend eine Form von Unrecht geben sollte und sich seine düsteren Visionen nicht Realität werden.

Krieg ist Frieden; Freiheit ist Sklaverei; Unwissenheit ist Stärke

Kaum etwas beschreibt dabei unsere heutige Zeit so gut wie diese einfachen Formeln. Auch Orwell beschrieb bereits eine Gesellschaft in der ein ständiger Krieg gegen den Terror geführt wird. Die Arbeitswelt zeigt, dass der beste Sklave jener ohne Kette ist. Und je dümmer ein Mensch ist, desto einfacher ist sein Leben...

Die Wahrheit zuzeiten des Universalbetruges zu sprechen ist eine revolutionäre Tat

Ein typischer Satz für Orwell. Kämpferisch durch und durch und trotzdem mit einer bitteren Note. Eine scheinbar natürliche Sache wird plötzlich etwas besonderes, wenn man sich nur in der richtigen Zeit befindet.

Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.

Ein Motto, dass ich mir selbst versuche zu nutze zu machen. Es ist oft einfacher Dinge einfach hinzunehmen und weg zu blicken. Allerdings kettet man sich damit selbst an und zwängt sich ein. Wichtiger ist es eben seine Freiheit wahrzunehmen und Menschen auch mal das zu sagen, was sie nicht hören wollen.



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Du hast ein Upvote von mir bekommen, diese soll die Deutsche Community unterstützen. Wenn du mich unterstützten möchtest, dann sende mir eine Delegation. Egal wie klein die Unterstützung ist, Du hilfst damit der Community. DANKE!

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Eine schön geschriebene Rückschau auf einen Mann dessen Werk gerade in der heutigen Zeit wieder besondere Bedeutung erlangt. Ein Mann mit dem ich allerdings nie wirklich näher beschäftigt habe. Zum Glück weiß ich jetzt mehr.

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Sehr schöner Artikel. Dazu fällt mir ein, dass ich neulich auf Arte eine Doku über Anarchisten gesehen haben. Interessant, wie diese Leute die Gesellschaften damals beeinflussten haben (19Jhr., Gewerkschaften, Generalstreiks) und spannend finde ich auch die Parallelen zwischen Anarchismus und Libertarismus.

Auch interessant ist das Thema, dass die Roten die Anarchos immer in den Rücken gefallen sind. Nicht nur im spanischen Bürerkrieg sondern auch im sowjetischen Bürgerkrieg in den 1920er Jahren.

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spannend finde ich auch die Parallelen zwischen Anarchismus und Libertarismus.

Ja, in der Tat. Die meisten Menschen bringen Anarchie immer mit brennenden Innenstädten und Chaos in Verbindung. Dabei steht eben die Fragestellung im Vordergrund wieviel Macht ein (wie auch immer) gearteter Staat haben sollte. Ich sage immer, dass ich im Herzen Anarchist sei. Man wird dabei oft dann irritiert angeblickt, weil das irgendwie gar nicht zu einem zu passen scheint. Und tatsächlich mag eine echte anarchistische Gesellschaft eher im Bereich des Utopismus angesiedelt sein. Aber in Zeiten immer mächtiger Zentralregierungen muss man da wohl auch mal mit maximaleren Forderungen entgegenwirken :)

Nicht nur im spanischen Bürerkrieg sondern auch im sowjetischen Bürgerkrieg in den 1920er Jahren.

In der Tat. Gerade eben auch durch Orwell bin ich auch der festen Überzeugung, dass die Sowjetunion ein zentralistisch organisierter Unrechtsstaat gewesen ist. Wer auch immer behauptet, dass es hier um Brüderlichkeit und Gleichheit ging, sollte sehr genau ansehen, wie diese vermeidlich sozialistische Regierung mit ihren Freunden umgegangen ist.

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