Am Wiener Opernball

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Liebe Steemianer und Wien-Freunde,

was? @stayoutoftherz am Opernball? An dieser erzkonservativsten aller Veranstaltungen?
Nein, ich war nicht am Opernball selbst, sondern bei der Generalprobe (Durchlauf des gesamten Eröffnungsprogramms) am Tag davor (ich wurde dazu überredet). Da sind die Karten erschwinglich und man hat einen ziemlich guten Eindruck von der Atmosphäre beim traditionsreichsten aller Wiener Bälle. Allein des Blumenschmuckes wegen hat es sich gelohnt, denn die Oper ist nur an diesem einen Tag dermassen geschmückt.
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Ein Blick auf die Feststiege, die noch prächtiger als sonst erscheint.
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Für eine Probe war der Andrang wie immer groß. Die Logen und Plätze waren komplett ausverkauft.
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Der Tag des Opernballs ist ja angeblich der einzige im Jahr, an dem die Wiener Staatsoper kein Defizit erwirtschaftet. Den Rest des Jahres dürfen die öst. Steuerzahler den Opern- und Balletbetrieb finanzieren. Aber seien wir nicht so, die Touristen geben ja insgesamt viel Geld in der Stadt aus und die Qualität der Darbietungen ist immerhin auf Weltniveau.

Einer der Höhepunkte ist der Einzug der Debutanten und Debutantinnen (offiziell "Jungdamen- und Jungherren-Komitee" genannt), begleitet vom Wiener Opernballorchester unter Andreas Spörri.
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Noch haben die Debutanten nicht die korrekte Kleidung an, beim Ball selbst muß es bei den Herren ein Frack sein, bei den Damen ein weißes Kleid mit aufgesteckter Ballfrisur. Beide tragen weiße Handschuhe. Armbanduhren sowie Piercings oder Tattoos sind absolut tabu!

Es wurden komplizierte Manöver für eine Polonaise (A-Dur, op. 40 Nr. 1 von Frédéric Chopin) und eine Bauern-Polka (op. 276 von Johann Strauß (Sohn)) ein letztes Mal intensiv geprobt.
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Danach verdunkelte sich die Szenerie...
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...und die Sopranistin Aida Garifullina und der Tenor Piotr Beczala hatten zuerst Soloauftritte und gaben dann ein Duett:
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Schließlich hatte auch noch das Staatsopernballett ihre Generalprobe. Es war schon ziemlich perfekt :)
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Übrigens, die Kartenpreise beim Opernball 2020 sind nicht ohne. Die Eintrittskarte (ohne Sitzplatz!) kostet zwar "nur" 315€, aber für einen Platz an einem Tisch (irgendwo im Gebäude) muss man 110 bis 220€ ausgeben (je nach Lage). Richtig Spaß macht es aber erst, in einer Loge zu sitzen und von dort dem Treiben im Ballsaal zuzusehen. So eine Loge kostet ca. 23000€ und bietet Platz bis zu 12 Personen. "Kulinarik" ist da natürlich noch nicht dabei, sondern fällt noch mal extra an. Sich den notwendigen Frack zu leihen, ist da schon fast ein Schnäppchen (ca. 270€)!
Tja, man will schließlich unter sich sein und einen plebsfreien Abend verbringen. Dafür kann man ja eventuell die Ausgaben als Werbungskosten von der Steuer absetzen. Regierungsmitglieder und ihre Mitarbeiter und Gäste besuchen den Opernball natürlich auf Staatskosten.

Hier der Blick aus unserer Loge auf den Saal:
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Insgesamt ist der Opernball wie eine Reise in die Vergangenheit. In eine längst vergangene Zeit, in der die Elite abgehoben unter sich war, ohne Beteiligung von Medien. Heute im Selbstdarstellungszeitalter dient so eine Veranstaltung dem Präsentieren des Status, dem Sehen und Gesehenwerden, und dem Netzwerken. Ich brauche so etwas zum Glück gar nicht.

Heute (am Tag des Opernballs) sah die Oper übrigens so aus, mit "Red Carpet", über den die Celebrities und andern Besucher das Gebäude betreten und (nicht im Bild) mit viel Polizeiaufgebot rundherum.
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Und nachher ging es zum Leberkas Pepi in die Operngasse, der hat jeden Tag bis 4h früh offen und versorgt das nächtliche Wien traditionell mit den besten Leberkäs-Semmeln weit und breit. Studenten sind hier ebenso anzutreffen wie Opern- und Ballbesucher. Hier vereinen sich die zuvor getrennten Schichten wieder...
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Alle Bilder mit einem iPhoneX aufgenommen.



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Danke für diese Reise in die Vergangenheit! Wie lange es den Opernball wohl noch geben wird? 😎

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Gerne! Ich glaube, den wird es so lange geben, solange einige Menschen zuviel Geld haben und sich gegenseitig beeindrucken wollen. Nur eine weltweite Katastrophe könnte das verhindern.

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beeindruckend, wirklich. Immer gut zu sehen, dass nicht jeder so weltfremd wie ich bin.

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(Edited)

Piercings oder Tattoos sind absolut tabu

Das ist sehr gut!

Abgesehen davon wäre diese Veranstaltung nichts für mich.
Irgendwie kommt mir das Ganze vor wie eine Simulation eines noch unverändert exisitierenden Österreichs.
Es gibt sogar nur m/w-Paare! Wo bleibt hier die Diversifizierung??

Außerdem sollte der Staat einen 10%-igen Anteil an Zuwandern sicherstellen, oder? Genug Geld dafür kann man ja jederzeit drucken!

Trotzdem freue ich mich mit dir, wenn du Spaß hattest, dabei zu sein.

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Ein f/f-Paar war diesmal sogar dabei! Wobei der eine f-Mensch ein Kleid trug, der andere einen Frack! Nicht sehr konsequent, oder?
Das mit der Zuwandererquote ist ein super Idee, wird aber nie durchgehen, da ja die Elite bei sich immer eine Ausnahme macht (siehe Waffengesetze, die Bevölkerung wird entwaffnet, man selbst hat Bodyguards, etc).

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Wieder sehr schön und gut gemacht! Von dieser Generalprobe wusste ich nichts.

Die Opernsubventionierung ist ein Paradebeispiel für die ethisch-moralische Einordnung von Subventionen: Die Lidl-Verkäuferinnen, die wohl kaum jemals eine Oper besuchen, sorgen mit ihren Steuerzahlungen dafür, dass die Haute volèe billigeren Eintritt bekommt, und das Politikergesocks sogar freien! Sozial gerecht nennt man das!

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Genau, und die Lidl-Verkäufer auch! Mit Lidl-Verkäuferinnen hast Du nämlich die Männer diskriminiert, weil sie in dem Wort nicht miteingeschlossen sind (in meiner Filiale arbeiten fast nur Männer). Daher bleibt man besser beim korrekten Deutsch und sagt Verkäufer, weil nur so alle gemeint sind (auch wenn es die Feministen nicht kapieren) :)

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Danke für den Einwand! Da ich diesen Beruf als klassischen Frauenberuf kenne, in dem ca. 90 % Frauen arbeiten, habe ich wie üblich hier die weibliche Form verwendet.

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Der Leberkas Pepi ist eine gute Alternative zum Opernball.
Obwohl man da vielleicht nicht ganz so ausgelassen das
Tanzbein schwingen kann. :)
Danke für deinen interessanten Bericht.
Viele Grüße.

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