Wie sieht eigentlich eine Examensklausur aus?

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Klausuren im Zweiten Examen verlangen (zumindest in Bayern) meistens, dass der Bearbeiter eine Entscheidung des Gerichts oder ein (bzw. mehrere) Schreiben eines Anwalts an das Gericht oder den Mandanten verfassen muss. Seltener sind in einem Gutachten Erfolgsaussichten einer Klage oder eines Rechtsbehelfs oder die aktuelle Rechtslage darzustellen.

Es ist entspricht damit (zumindest theoretisch) der Praxis.

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Das ist übrigens der Koffer mit meinen Hilfsmitteln für die Klausuren. Der Koffer war echt schwer!

Um die Klausuren ein bisschen zu veranschaulichen, will ich einfach mal die Aufgabe 1 (von 11) kurz darstellen:


Die Klausurangabe besteht primär aus einem Auszug aus den Akten des Gerichts. Eine kurze, vereinfachte Zusammenfassung (im Original ist die Angabe 10 Seiten lang):

I. Klageschrift

Darin fordert der Kläger:

  1. Herausgabe eines Motorrads
    Dieses hat der Kläger seinem Sohn angeblich geliehen. Diesem wurde es gestohlen. Der Dieb hat es einem Gebrauchtwagenhändler verkauft. Dieser hat es wiederum dem Beklagten verkauft.
    Der Kläger meint, er sei noch immer Eigentümer und habe daher einen Anspruch auf Herausgabe.
  2. Schadensersatz
    An dem Motorrad befand sich ein Fuchsschwanz. Dieser wurde zerstört als der Beklagte Besitzer war.

II. Klageerwiderrung

Der Beklagte beantragt Klageabweisung. Er sei gutgläubig Eigentümer geworden.
Außerdem macht der Beklagte Aufwendungen geltend, die er für das Motorrad aufgewendet hat:

  1. Benzin und Schmiermittel, die der Beklagte bei Fahrten aber wieder verbraucht hat
  2. Neue Bremsen, da das Motorrad mit den alten nicht mehr fahrtüchtig war
  3. Kosten für neuen Lack und 25 Arbeitsstunden für die Lackierung
  4. Neue Reifen. Dabei wusste der Beklagte aber bereits, dass das Motorrad gestohlen worden war.
  5. Einen neuen Sitz, da der alte verschlissen war. Auch dabei wusste er schon, dass das Motorrad gestohlen worden war.

Falls das Gericht also denkt, dass der Kläger das Motorrad herausverlangen kann, will er zuerst diese Kosten ersetzt bekommen.

III. Replik (Erwiderung des Klägers)

Der Kläger meint, dass der Beklagte für die Aufwendungen keinen Ersatz verlangen kann:

  • Die Arbeiten seien nicht notwendig gewesen
  • Eigene Arbeitszeit (für das Lackieren) könne nicht ersetzt werden
  • Von Benzin und Schmierstoffen hat der Beklagte selbst profitiert, auch dafür gibt es keinen Ersatzanspruch
  • Das Motorrad habe durch die Arbeiten keine Wertsteigerung erfahren

IV. Sachverständigengutachten

Wesentliche Aspekte:

  • Die Lackierarbeiten waren fachgerecht und die Kosten in der Höhe in Ordnung
  • Neue Bremsen und Reifen waren zwingend erforderlich
  • Die Lackierung war zwar nicht erforderlich, aber sinnvoll, um Rost zu verhindern
  • Der Austausch des Sitzes dient lediglich dem Komfort

V. Auszug aus dem Protokoll der öffentlichen Sitzung des Gerichts

Hier wiederholen die Parteien im Wesentlichen ihre Ausführungen aus den Schriftsätzen.

Bearbeitungsvermerk:
Die Entscheidung des Gerichts ist zu fertigen.

Ich habe mich bei der Zusammenfassung vor allem auf die interessanteren rechtlichen Probleme konzentriert. Daneben waren noch kleine prozessuale Probleme (Zustellung der Klage, Zuständigkeit des Gerichts, …) eingebaut.

Für die Bearbeitung hatte man dabei (wie immer) 5 Stunden.


Was meint ihr dazu? Wie sollte die Entscheidung nach eurem Bauchgefühl lauten?
Würden euch andere Klausuren interessieren? Z.B. aus dem Strafrecht?

Und interessiert es euch vielleicht, was es mit dem „gutgläubigen Eigentumserwerb“ auf sich hat?

Über Feedback freue ich mich wie immer! :)



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Du hast ein Upvote von mir bekommen, diese soll die Deutsche Community unterstützen. Wenn du mich unterstützten möchtest, dann sende mir eine Delegation. Egal wie klein die Unterstützung ist, Du hilfst damit der Community. DANKE!

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Ich wünsche viel Erfolg

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Danke! Das Ergebnis werde ich wohl im Oktober erfahren :)

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Der Gutgläubige Erwerb von abhanden gekommenen Sachen ist ausgeschlossen, § 935 I BGB. Also muss der Beklagte das Motorrad herausgeben.
Was der Beklagte ersetzt bekommt kann ich gerade aus dem Kopf nicht genau bestimmen, ich würde GoA und Bereichungsrecht prüfen.

Hast du gerade gesagt, dass der Sachverhalt 10 Seiten lang ist? Oha, ich freu mich schon :D

Hab nächste Woche übrigens Mündliche Prüfung im Schwerpunktbereich 😶

Ref zu Coronazeiten ist bestimmt toll oder?

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Genau! Aber Herausgabe Zug um Zug gegen Zahlung von manchen der Aufwendungen (wegen 1000 BGB)

Ich bin zuerst ins EBV (das die anderen ja erstmal sperrt!). Also 994 ff. BGB. Eine Vindikationslage liegt ja vor!

Ja, 10 Seiten sind durchaus nicht selten! Aber oft ist das sogar gut, weil darin schon viele Argumente und Hinweise enthalten sind.

Viel Erfolg! Packst du bestimmt gut :)

Vor dem Examen war es leider bisschen unpraktisch, weil wir so paar Klausurenbesprechungen weniger hatten. Und auch die geschlossene Bib war nicht von Vorteil. Zumindest mir fällt es schon schwerer in meinem Zimmer zu lernen, in dem ich ohnehin die ganze Zeit bin.

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Ist schon lange her, dass ich mich mit dem EBV befassen musste ...äh... durfte.
Ich schieße daher einfach mal aus der Hüfte:
Verurteilung zur Herausgabe des Motorrades Zug-um-Zug gegen die Erstattung der Verwendungen für Bremsen, Reifen und Lack (ohne Arbeitszeit).
Kostenquote und vorläufige Vollstreckbarkeit dürften eine ziemliche Seuche werden...

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Man merkt, dass du vom Fach bist! In welchem juristischen Bereich bist du denn tätig? :)

Deine Einschätzung entspricht auch meinem ersten Gefühl. Allerdings habe ich im Kommentar gefunden, dass wohl hier auch die Arbeitszeit zu ersetzen ist.

Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit waren zum erlassen! Darum war ich ganz froh :D

Das Schwierigste an der Klausur war tatsächlich der Umfang. Rechtlich waren die Probleme mit Kommentar gut machbar. (Hoffe ich :D)

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Momentan bin ich (mal wieder) als Verwaltungsrechtler unterwegs - worin ein gewisses Mass an Ironie liegt, da ich während Studium und Referendariat das öffentliche Recht zwar interessant fand, dort aber nie irgendwelche Schwerpunkte gesetzt habe.

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