MQ - Die tiefe Scham, arm zu sein...

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Scham

Jetzt schreibe ich also doch. Bereits angestoßen worden bin ich durch Kadnas Artikel zum Mangel. Sie findet eine positive Antriebskraft im Mangel und erst am Ende kommt das "Kleingedruckte":

Als negative Begleiterscheinungen kann der Mangel Gefühle von Schmerz, Scham, Schuld, Trauer, Wut, Verzweiflung, Minderwert, Einsamkeit, Opfersein und Ohnmacht hervorrufen.

Ich kenne sie alle. Aber schreiben wollte ich lieber nichts. Jetzt kommt der Mittwochsquickie mit dem Thema "Armut" daher, als verfolge es mich und ich lasse meine Erinnerungen zu - Michaels Geschichte ist einfach zu ähnlich.

Falsche Freunde und kein familiäres Auffangbecken

Vor vielen Jahren ging es mir wie @backinblackdevil. Selbstverschuldet landete ich ganz unten. Ich spare mir die Details. Mein Antrieb ist es, ergänzend zu Kadnas positiver Sicht (die mir vorher völlig fremd war) auf die negativen Gefühle einzugehen, wie ich sie erlebt habe.

Sicherlich habe ich aus der Zeit damals viel gelernt, aber hätte es doch gern einfacher gehabt. Es ging im wahrsten Sinne des Wortes an die Substanz. Alle Gefühle in Kadnas "Kleingedrucktem" sind mir vertraut - es war ein Gefühlschaos, das mich zeitweilig in die Knie gezwungen hat.

Erst kamen Schmerz und Verzweiflung. Wie sollte es weiter gehen??? Warum gerade ich? Lande ich auf der Straße? Warum hilft mir denn keiner?... Das waren keine schönen Gefühle, und ich wendete das Mittel der Wahl an:

Wer ist denn überhaupt der Schuldige?!!!

Ich fand genügend Anwärter für diesen Posten. Meine "Freunde", die mich nur ausgenutzt haben und dann natürlich fallen ließen, als nichts mehr zu holen war. Meine Eltern, die keine Lust (oder Energie?) mehr hatten, mich wieder irgendwo heraus zu holen. Meine Freundin, die mich ziemlich bald verließ, weil ich halt nicht mehr dauernd gute Laune hatte. Mein Chef, von dem ich mich richtig verarscht fühlte. Sie alle hatten die Schuld!

Schuldzuweisung

Wie sollte ich da funktionieren? Dann kam die Wut auf all diese Menschen, die mir nicht nur nicht halfen, sondern mir auch noch einen A...tritt obendrein verpassten! Ich war ständig gereizt und textete meine Familie und meine Freundin zu. Geholfen hat mir die Wut ein bisschen wieder meine Kraft zu spüren, aber das war dann auch schon alles. Geändert hat sie nichts - eher verschlimmert. Dazwischen gab es Phasen von Minderwertigkeitsgefühlenund Ohnmacht, die mich wieder lahm legten. Ich fühlte mich als armseliges Opfer der Umstände, von aller Welt verlassen und unverstanden. Irgendwo tief in mir saß auch die Trauer darüber, mein Leben vergeudet zu haben.

Das schlimmste Gefühl in dieser Zeit war allerdings die Scham.

Wenn ich dann einmal mit den verbliebenen Kumpels losgezogen bin, brauchte ich nie etwas zu bezahlen. Eine nette Geste sollte man meinen, aber für mich war das derart unangenehm, dass ich irgendwann nur noch im Zimmer blieb. Diese "Geschenke" hatten mir immer wieder meine Bedürftigkeit vor Augen geführt. Es war quasi die Bestätigung, dass ich ein Vollversager war. Ich hatte mich permanent geschämt. Scham ist ein richtig ekliges Gefühl. Ich habe so etwas seit dieser Zeit Gott sei Dank nie wieder fühlen müssen.

Tja, die Einsamkeit kam dann natürlich auch noch um die Ecke. Es gab keine Kontakte mehr (naja, wofür gibt es Internet?) und somit auch keinen Anlass mehr für Scham. Die kam dann allerdings ganz schnell wieder, als mir irgendwann einmal klar wurde, was ich da gerade tue. Die Frage nach der Schuld stand wieder im Raum und dieses Mal konnte ich meine Anteile sehen. Das war ein sehr schmerzhafter Prozess: ich selbst war verantwortlich für den ganzen Schlamassel, und es war meine Aufgabe aufzuräumen? "Ja!" Harter Tobak!

Und ich hatte auch noch unverhofftes Glück: Ich fand in dieser Zeit eine neue Freundin (wozu gibt es Internet 😉), die es wohl irgendwie geschafft hat, den guten Kern in mir zu sehen und mich dann sehr unterstützt hat. (Übrigens auch finanziell, und ich lernte allmählich, Hilfe annehmen zu können ohne ein schlechtes Gewissen dabei zu haben.)

Da dies ein Mittwochsquickie ist, beende ich hier meine Geschichte mit:

Ende gut, alles gut. 😉

Dies waren meine 10 Minuten für den Mittwochsquickie von @nissla, bei dem jeder mitmachen kann. Inzwischen wird dieses Community-Projekt von @backinblackdevil weitergeführt (unterstützt von @isarmoewe und @kadna). Sein jetziges MQ-Thema lautet "Armut".

Pixabay Foto



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28 comments
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danke für deine Teilnahme am MQ. Mit Glück bekommst du auch noch ein !BEER von mir

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VOIN DD Dividende in !trdo und sobald wieder lieferbar auch in !BEER

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Danke dir für deine Offenheit. Scham kenne ich aus meiner Kindheit - das ist wirklich ein "ekliges" Gefühl. Schön, dass das Internet dir so behilflich war ;-) LG Kadna

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Schön, dass das Internet dir so behilflich war ;-)

Ja, es hat auch gute Seiten ;-) LGG

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Das dumme, wenn man sich für etwas schämt, ist, dass man nicht darüber spricht. Erst wenn die Situation sich ändert, wenn man es hinter sich hat, dann traut man sich darüber reden. So erging es mir zumindest in meiner depressiven Zeit, ich schämte mich für meinen Zustand. Erst später, als ich darüber reden konnte, war ich ganz erstaunt wie vielen anderen es auch ähnlich ging.

...es war meine Aufgabe aufzuräumen.

Gratuliere zum erfolgreichen Aufräumen! Und allen die noch mitten drin "stecken" wünsche ich den Mut und die Power es auch anzupacken.

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Danke für deine persönliche Antwort! Wahrscheinlich kennt jeder irgendein Loch, in das er mal gefallen ist. Wir lernen nur nicht, wie man rauskommt und wir lernen esrt recht nicht, über solche Situationen zu sprechen, wenn man mal nicht cool sein kann. LGG

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Da kommt mir ein Spruch den ich oft schon als Kind hörte in den Sinn,:
Am eigen Schopf raus ziehen!
obwohl es vielleicht schon etwas abgedroschen klingt, aber es hilft und du hast das ja eindringlich gezeigt!
Viel Mut zum immer wieder "anpacken"und "aufräumen" wünsch ich dir auch in Zukunft

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Danke für deine Antwort.

Am eigen Schopf raus ziehen!

Die Münchhausen Geschichte hehe, da hat jeder seine eigene Methode. Meine Geschichte ist übrigens gut 20 Jahre her ;-) LGG

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Ich hätte mich nach den Kontaktabbrüchen noch mehr geschämt und die Kontakte daher bald wieder gesucht.
Warst du nie in einem Verein oder ähnlichem?

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Warst du nie in einem Verein oder ähnlichem?

Nee, ich bin nicht so der Vereins- oder Gruppenmensch ;-) LGG

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