Paläontologie für Nicht-Paläontologen: Ein paar Millionen Jahre vorbei ist auch daneben!

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Hallo Fossilienfreunde,

im letzten Post berichtete ich euch über mein Geburtstagsgeschenk. Es handelte sich um ein Fischfossil. Ich hatte mich anschließend etwas näher mit dem Fossil befasst und war zur Schlussfolgerung gelangt, dass es sich um einen Fisch aus der frühen Jura handeln muss. Zur Klärung dieser Vermutung suchte ich nun unser hiesiges Naturkundemuseum auf (Abb.1).



Abb.1 Haupteingang „Museum für Naturkunde“ in Magdeburg. Made by Chapper – unrestricted use allowed.


Zunächst bestätigten die Herrschaften meine Vermutung bzgl. „Früher Jura“, jedoch hatte ein junger Geologe so seine Zweifel, weil das Schiefergestein etwas zu hart war. Die auffallend hohe Härte in Kombination mit der dunklen Farbe katapultierte mein Fossil im Nu vom Jura ins Perm (also vor ca. 300 bis 250 statt ca. 200 bis 150 Millionen Jahre) [1,2].

Demnach ist mein Fossil nicht auf Dinosaurier, sondern maximal auf Pelycosaurier gestoßen (siehe Abb.2).



Abb.2 Ein Pelycosaurier. Made by Chapper – unrestricted use allowed.

Erinnert euch bitte, dass es sich hierbei nicht um Dinosaurier handelte, diese entstanden erst nach dem Ende des Perms, im Trias (siehe mein Dino-Artikel hier). Weiterhin wies mich der Geologe darauf hin, dass es in Europa keine Gesteine aus dem oberen Perm, sondern primär nur aus dem frühen Perm gibt. In dem Zusammenhang sollte nochmals erwähnt werden, dass mir viele Informationen rund um das Fossil nicht zur Verfügung stehen. Ursprünglich stammte es aus einer Privatsammlung. Der Händler, welcher die Fossilien an sich nahm, vernichtet jedoch sämtliche Aufzeichnungen. Somit sind Fundort, Gesteinsschicht etc. nicht bekannt. Da langt man sich echt an den Kopf, aber ok.


Ich bin nun in die Literatur gegangen und habe versucht etwas über Fische, welche im frühen Perm vorkamen in Erfahrung zubringen. In einer Publikation von Romano et al. 2014 [3] fand ich schließlich heraus, dass Fischen im frühen Perm im Süßwasser zwischen 40 bis 1030 mm und im Salzwasser um 20 bis 900 mm lang wurden. Mein Fossil erfüllt daher mit einer Länge von 19 cm die Größenkriterien des frühen Perms.

Die Experten im Museum bestätigten mir weiterhin, dass es sich durchaus um einen Knochenfisch handelt. Der Art der Flossen nach zu urteilen gehört mein Fossil zu den Strahlenflossern (Actinopterygii) und nicht zu den Fleischflossern (Sarcopterygii). Letztere entwickelten sich bereits schon im Devon („Zeitalter der Fische“) und waren wohl maßgeblich an der Eroberung des Landes beteiligt, denn durch ihre mächtigen Flossen konnten sie eine „effiziente“ Fortbewegung abseits des Wassers sicherstellen [1,2]. Der Quastenflosser beispielsweise ist auch ein Fleischflosser (Abb.3).



Abb.3 Der Quastenflosser (Latimeria chalumnae). CC BY-SA 3.0.


Zurück zu meinem Fossil.


Besonders schwierig an meinem Fossil ist sicherlich die Kopfform. Dies ist aber völlig normal, denn Fische haben im Gegensatz zu Säugern keinen vollständigen Schädel [4]. Der Kopf besteht vielmehr aus einer großen Menge von Knochen, die dann durch Gewebe zusammengehalten werden. Im Zuge des Verwesungsprozesses kommen die Einzelteile dann oft durcheinander. Man kann allerdings noch erkennen wo einst der Kiemendeckel gesessen haben musste (Abb. 4). Weiterhin ging der Geologe davon aus, dass die Färbung durchaus Fossil-spezifisch ist, was jedoch erst durch weitere Verfahren (z.B. Spektroskopie) geklärt werden müsste.

Um nun zu sehen welche Fische in Frage kommen bediene ich mich wieder am Buch von Michael J. Benton „Vertebrate Palaeontolgy“ [1]. Die Ordnungen, die ich hier ausmachen kann, sind u.a. Scanileptiformes und Pholidopleuiformes. Beide starben anscheinend im frühen Perm aus, jedoch war ersterer in China zuhause und zweiterer hatte mit meinem Fossil keine allzu großen Gemeinsamkeiten. Ich gehe daher davon aus, dass mein Fossil weder den Ordnungen Scanileptiformes noch Pholidopleuiformes angehört. Interessanterweise kam zur gleichen Zeit auch Perleidiformes auf, also jene Ordnung, die bereits im letzten Post schon einer der Top-Favoriten war.

Alle anderen Fischordnungen konnte ich ausschließen.

Um beide Fische etwas besser vergleichen zu können habe ich die Umrisse von Perleidiformes genommen und auf mein Fischfossil gepackt (Abb.4).



Abb.4 Vergleich von Chappers‘ Fischfossil mit einem Vertreter der Perleidiformes. Gewöhnlich entspringen am Kiemendeckel oft noch Flossen. Diese scheinen in meinem Fossil nicht besonders gut erhalten zu sein. Auch die hinterere oberere Flosse ist nur mangelhaft erkennbar. Ansonsten passen die Umrisse schon ganz gut. Den Vertreter der Perleidiformes habe ich von Wikipedia CC BY-SA 3.0.

Welcher Fisch es nun tatsächlich ist, kann immer noch nicht abschließend geklärt werden. Tollerweise wurde ich jetzt zu einem Paläontologenstammtisch eingeladen, welcher am 06.12.2019 stattfindet. Ich werde mein Fossil mitbringen und sehen, ob mir jemand weiterhelfen kann. Zuvor muss ich aber unbedingt noch ein paar Informationen rund um das Fossil einholen, ich werde daher den Händler kontaktieren, vielleicht sind noch ein paar Informationen übrig.

Die Fortsetzung dieses Artikels folgt demnach erst in ein paar Wochen.

Bis dahin wünsche ich euch eine schöne Adventzeit und trinkt nicht zu viel Glühwein.

Bis die Tage.

Gruß

Chapper.


Quellen:


[1] M.J. Benton, Vertebrate palaeontology, 4th ed., Wiley Blackwell, Chichester, 2015.

[2] R. Dawkins, Y. Wong, Geschichten vom Ursprung des Lebens: Eine Zeitreise auf Darwins Spuren, 1st ed., Ullstein, Berlin, 2009.

[3] C. Romano, M.B. Koot, I. Kogan, A. Brayard, A.V. Minikh, W. Brinkmann, H. Bucher, J. Kriwet, Permian-Triassic Osteichthyes (bony fishes): diversity dynamics and body size evolution, Biol. Rev. Camb. Philos. Soc. 91 (2016) 106–147. https://doi.org/10.1111/brv.12161.

[4] V. Storch, U. Welsch, W. Kükenthal, Kükenthal Zoologisches Praktikum, 25th ed., Elsevier Spektrum Akad. Verl., München, erschienen] 2005.


Posted from my blog with SteemPress : http://worldofchapper.de/rp295320-ovh/index.php/2019/11/25/palaontologie-fur-nicht-palaontologen-ein-paar-millionen-jahre-vorbei-ist-auch-daneben/



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Sehr interessant und wie begeistert du es recherchiert um herauszufinden was dein fossil nun ist dafür ein

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Hi Prophet,

vielen Dank für deinen Kommentar. Das mit dem Fisch ist schon ne spannende Sache muss ich sagen. Du weißt ja wie das ist, man geht den Dingen eben gern auf den Grund! Mal schauen ob ich es noch in 2019 packe!

Bis dahin

Steem on (trotz dieser Bäreninvasion)

Chapper

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Finde ich gut das du so viel Interesse zeigst

Ps.
Dann essen wir halt die Bullen auf bis die endlich anfangen zu rennen;-)

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Gute Idee!

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Stimmt, BTC immerhin um 9% über Nacht wieder hochgepusht! Ob es an meiner oder deiner Drohung lag? Wer weiß 😉

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Ich hab's gelesen bis zum Schluss!

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Neben Stilfragen bezügl der eigenen Uniform gehört es eben dazu, dass man kommende Minister für Wissenschaft, Kultur und Bildung dann auch mal liest! Eine Frage der Ehre!

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Oh, wie ich sehe stellst du ein neues Kabinett auf. Ich hoffe doch sehr, dass ich nach wie vor in der Funktion des Riesenschildkrötenbeauftragten schalten und walten kann! 😉

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Klar, fällt auch unter die Kategorie Wissenschaft, Du bekommst aber den Naturschutz gleich noch dazu:). Man wächst ja mit seinen Aufgaben:).
BGvB!

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Uuuhhh, das läuft ja fast wie in Berlin hier!

Na dann kann ich mich auch schonmal auf jene fette Pension freuen.

Hoch lebe Florena!

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Na dann legen wir mal auf die Pension noch einen Kaffee drauf... ;o)

!COFFEEA

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Wir hätten zwar nur ca 100 Einwohner, wenn wir aber geschickt agieren und uns zum Steuerparadies umgestalten dann steht einer fetten Pension nix im Wege.
Mit dem Ausruf der von Dir genannten Parole ist also die Basis als Fundament der Grundlage einer Karriere in der Ministerialbürokratie Floreanas gschaffen, ist wie in der normalen Politik auch, ist eh alternativlos und somit auf den Weg gebracht, das Gesamt-Paket erfolgreich geschnürt also:).
gez. el presidente

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Ja gut, ich mein Staaten wie die Kaiman-Inseln, Liechtenstein oder Monaco können auch nicht gerade als überbevölkert bezeichnet werden und erwirtschaften satten Profit! Weniger ist manchmal eben mehr, dann redet wenigstens nicht jeder in alles rein. Viele Bürger verderben oft den Einheitsbrei, verehrter El Presidente. Florena On!

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Ab einem gewissen Alter zählt eh nur noch die Uniform, die man bei der Sonntagsparade tragen darf:), ich bin darauf ganz gut vorbereitet!
Lang lebe Floreana!
gez. el presidente

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Ab in die Reihe!

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Der balte ist recht schwer zu disziplinieren:).

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Dat geht nur mit Kaffee... ;o)

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Danke für die köstlichen Heißgetränke, die du hier an die User verteilst!

Steem on!

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Die eigene Disziplin kein Problem die erzwungene da schon eher
VgA

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Zum Glück bist du El Presidente, da setzt du deine eigenen Maßstäbe ;-)

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Oje, die Opposition sieht das anders! Da hilft nur Frei-!BEER für alle:).

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Na da hast du aber Glück, dass ich mich in meinen jüngsten Artikeln eher kurz fasse 🤣 vielen Dank für's Lesen. Grüße Chapper

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Schön, dass du uns mehr mitteilst über deine Fisch-Investigationen! Sehr schön auch der von dir gezeichnete "Chappersaurus" ;)

Und "Aufzeichnungen vernichtet"? Gut, vielleicht war das nur "Gekauft von X für Y". Aber schon merkwürdig, das lässt mich doch "Lücken" in der Besitzerhistorie vermuten. Wer weiß, welche Wege der Fisch schon zurückgelegt hat...

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Hi @muscara,

vielen Dank für das Lob für den "Chapposaurus"!

Das mit der Herkunft ist wirklich fast noch spannender als das Fossil selbst.

Schau gern wieder rein, wenn ich die neusten Enthüllungen präsentiere.

Gruß

Chapper

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Impressive is a rather old fossil. This fish surely was located or lived in regions such as Siberia as it belongs to the permico period

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Thanks Carlos,

it is impressive that these kind of fishes were on earth for about 100 million years. Unbelievable! Let's see whether it is really Perleidiformes. This will maybe disentangled soon!

Cheers

Chapper

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Na - da lag ich ja mit der falschen Datierung des Schiefers gar nicht so daneben... Hihi ;o)

Fehlen nur noch ein paar Millionen Jahre hinsichtlich des Zielprognose von mir.

Freu - der junge Geologe ist mir sympathisch - bestätigt er doch direkt meine Annahme, dass der Schiefer wesentlich älter ist, als von Dir angenommen.

Jetzt muss nur noch der Irrtum vom Knochenfisch beseitigt werden, denn wäre es einer wäre vermutlich auch der Erhaltungszustand besser.

Ich bleibe dabei - Steemiani chappertonii stellt eine eigene Spezies in der Erdgeschichte dar...

Sozusagen ein Wellenflossler der schon fliegen konnte um dann durch die Luft gleitend auf dem Strand zu landen ehe das Meer ihn zurückholte.

Der Fisch war seiner Zeit weit voraus - sozusagen PERMAnent voraus...

Danke für das Update - warte gespannt auf die weitere Auflösung des Rätsels rund um den Wellenflossler, der durch die Luft segeln konnte...

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Hi Intradex,

um deinen Optimismus etwas zu bremsen. Der junge Geologe hatte die Annahme es könnte Perm sein, der ältere Geologe war aber von Jura ausgegangen. Bzgl. dessen, dass es ein Knochenfisch ist waren sich aber alle einig (sieht man an den Schuppen deutlich, außerdem haben Knorpelfische keinen derartigen Kiemendeckel).

Bei dem Namensvorschlag gehe ich natürlich mit.

Steem on!

Chapper

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vielleicht weiß beim Paläontologen-Stammtisch jemand, wo sich eine preiswerte Radiocarbon C14 Untersuchung machen läßt. Danach ggf. genauere Datierung möglich. Bei Darmstadt Grube Messel, hat die auch Schiefer mit Fisch ?

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Jo in der Grube Messel gibt es Fische in Schiefer! Da gibt es so ziemlich alles außer große Dinos. Der Grund ist, dass Europa früher als vereinzelte kleine Inseln existierte, da kamen keine Sauropoden oder sowas vor. Das mit der C14-Methode kann ich mal Anfragen, aber selbst die hat Abweichungen von mehreren Millionen Jahren soweit ich weiß. Es bleibt spannend! Grüße

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Fiel mir eben ein : hatte von Harald Thiers gehört, daß 1870 der letzte Drache aus dem Untersberg nahe Watzmann flog.
H. Kautz (Vella) hatte von einem Drachen als Berater am Hof eines Fürsten in Nord-Italien ca. 1500 berichtet.
Hinterlassen Drachen auch Gerippe?
Darf man dazu was wissen?

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Puuh, ich glaube das liegt außerhalb meiner Kompetenz!

Würde mich aber interessieren, wenn du dazu was schönes rausrecherchieren kannst.

Gruß

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Jo in der Grube Messel gibt es Fische in Schiefer! Da gibt es so ziemlich alles außer große Dinos. Der Grund ist, dass Europa früher als vereinzelte kleine Inseln existierte, da kamen keine Sauropoden oder sowas vor. Das mit der C14-Methode kann ich mal Anfragen, aber selbst die hat Abweichungen von mehreren Millionen Jahren soweit ich weiß. Es bleibt spannend! Grüße

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